Villa in kalifornischem Stil

Das grosszügige Wohnhaus an  der Gwattegg wurde 1962/63 vom Thuner Architekt Livio Colombi gebaut. Colombi zeichnet sich für rund drei Dutzend in den 50er bis 70er Jahren realisierten Bauten in Thun und Umgebung verantwortlich. Besonders hervorzuheben ist das 2012 abgebrochene Kino Rex. Der hohe Betonskelettbau mit auskragendem Flachdach und markanter Rasterfassade prägte während sechzig Jahren die städtebaulich wichtige Lage. Colombi war begeistert von der Architektur Richard Neutras. Dieser wurde in den 50er Jahren einem breiten Publikum durch seine einzigartigen Flachdachvillen in Kalifornien bekannt. Ab den 60er Jahren realisierte Neutra auch in Europa und dem Tessin einige Bauten. Neutras Architektur zeichnet sich durch grosse Glasfronten und fliessende Übergänge zwischen Innen und Aussen aus. Der unverkennbare Baustil Neutras diente einer ganzen Generation von Architekten als Vorbild, so auch Livio Colombi. Wenig überraschend lässt sich die Architektur vom Wohnhaus Gwattegg 2 ebenfalls der kalifornischen Moderne zuschreiben und wird daher als «Villa in kalifornischem Stil» bezeichnet.

Gwattegg früher und heute

Das Gwatt bildet den südlichsten Teil der Gemeinde Thun. Es erstreckt sich entlang der Bahnstrecke und der Hauptstrasse zwischen Thun und Spiez. Der Thunersee im Nordosten und der Strättlighügel im Südwesten bilden die natürlichen Grenzen des Stadtteils. Die Gwattegg umschreibt das Gebiet oberhalb der Bahnstrecke am Strättlighügel. An erhöhter Hanglage geniesst man von dort einen atemberaubenden Blick auf den Thunersee mit nahegelegenem Gwattlischenmoos und das Alpenpanorama. Die Gwattegg bestand bis 1960 vorwiegend aus Einzelhöfen, die betroffene Parzelle war Teil einer grösseren Hoschtet. Ab den 60er Jahren entwickelte sich der Stadtteil rasant zu einem diversen Wohnquartier. Die Nachbarschaft ist geprägt von Ein- und Mehrfamilienhäusern von unterschiedlicher Qualität.

Ein dreiteiliges Gebäude

Das Wohnhaus Gwattegg 2 sitzt am höchsten Punkt in der nach Osten abfallenden und leicht terrassierten Parzelle. Hangseitig erscheint der Bau mit Flachdach als eingeschossiger Pavillon. Talseitig tritt das Wohnhaus zweigeschossig in Erscheinung. Aufgrund der Hanglage wird ein Sockelgeschoss sichtbar. Der Bau ist funktional, gestalterisch und materialtechnisch dreigeteilt: die offene Wohnebene im Erdgeschoss ist als Holzskelettbau konstruiert, der introvertierte Bediensteten Bereich im Gartengeschoss in Beton gegossen, während der um 90 Grad abgedrehte Schlafbereich weiss verputzt aufwartet. Sowohl das Wohn- als auch das Gartengeschoss erstrecken sich über zwei Niveaus, die jeweils mit wenigen Tritten miteinander verbunden sind. Dem Wohnbereich vorgelagert ist eine langgezogene auskragende Terrasse, welche die Horizontalität des Wohnhauses zusätzlich betont.

Umfangreiche Bauaufgabe

Das Haus befindet sich in einem allgemein guten Zustand. Kleinere Eingriffe und Renovationen zwischen 1993 und 2013 lassen die präzise Handschrift Colombis aber vermissen. Dies gilt es zu korrigieren. Das Gartengeschoss, bisher mit Nebenräumen belegt, soll zukünftig der Wohnnutzung zugeführt werden. Des Weiteren soll das Wohnhaus eine Modernisierung erfahren und zusätzlicher Raum geschaffen werden. Die Grundprinzipien, welche dem Haus zugrunde liegen, sollen dabei gewahrt werden. Der fliessende Übergang zwischen Innen und Aussen gilt es zu verbessern und die Aussicht auf das wunderschöne Panorama besser erfahrbar zu machen. Mit einer entsprechenden Aussenraumgestaltung sollen Blickbezüge zur Nachbarschaft reduziert werden. Die Haustechnik soll den neuen Gegebenheiten angepasst und auf den neusten Stand gebracht werden.